25
Nov
2005

Krank

Ich bin krank und beschließe ausnahmsweise mal zum Arzt zu gehen, okay, der eigentliche Grund ist, dass ich ein Attest brauche um meinen Englischkursen nun zum wiederholten Male zu fehlen, nicht dass mir mein Schein noch strittig gemacht wird.

Aber wohin wendet man sich, wenn die Freunde alle ihre Krankheiten eher dem Notarzt anvertrauen würden und sich ansonsten eher mit Alkohol oder zwielichtigen Medikamenten selber therapieren?

Telefonbuch, nachgeschaut, geflucht, dass die schwer arbeitende Arztbevölkerung erst wieder ab 16:00 Uhr aufmacht, dann aber - man höre und staune - gar bis 18:30.

Zuerst muss ich natürlich zum Geldautomaten, weil ich mein letztes Bargeld meinem Bruder geliehen habe, da der seine EC-Karte dem Kontodrucker anvertraute.

In der Straßenbahn wird mir dann auch klar, dass in einer Großstadt wie Dresden manche Straßen schrecklich lang sein können und sich der nahe Arzt zu einer halben Weltreise entpuppt; gebannt zähle ich die Hausnummern auf; dort muss es sein.

Ich trete ein und erblicke ein Plakat, bei dem ein armer Patient einem natürlich völlig unschuldigen Arzt die 10 Euro Praxisgebühr gibt und diese aus dessen Kitteltasche hinterrücks von einem diebischen Handlanger mit Krankenkassenaufdruck gestohlen wird. Stilecht mit diabolischen Lächeln.
Weiterhin steht als Hinweis drauf, dass man die Praxisgebühr passend haben sollte, um Komplikationen vorzubeugen.

Demütig trete ich an die Rezeption und gebe kleinlaut zu, dass ich nicht nur krank wäre, sondern auch die Praxisgebühr nicht passend hätte.
Der Blick und der Tonfall der Empfangsdame gibt mir zu verstehen, dass ich einer standrechtlichen Erschießung gerade noch einmal so entkommen bin; nicht ohne mir mitzuteilen, dass dieser Arzt Leute aus meinem Bezirk eigentlich nicht behandeln würde. Aber bevor ich noch mir einige kreuzgefährliche Phantomschmerzen ausdenken kann, scheint man sich des hippokratischen Eides bewusst zu werden, so dass ich mich setzen kann.
Achja, mein Anrecht auf einen Hausbesuch habe ich natürlich verspielt (schließlich behandeln wir Ihren Bezirk eigentlich nicht), wenn dann doch einmal Not am Manne sein sollte, müsste ich dem Notarzt wieder 10 Euro Praxisgebühr bezahlen.

Erleichtert, dass man mich doch akzeptiert hat (ich komme ja aus einem anderen Bezirk) setze ich mich ins Wartezimmer und versuche die Horrorszenarien bei denen ich voll Fieber ans Bett gefesselt keine Kraft mehr habe dem Notarzt erneut 10 Euro zu geben und demzufolge elendig verenden werden aus meinem Kopfe zu verdrängen.

Die Sprechanlage schnarrt alle 7-10 Minuten und ich verstehe eigentlich nichts, ich erwarte eigentlich auch nicht kurz vor Ladenschluss noch dranzukommen, bin ja auch aus einem anderen Bezirk.

Irgendwann krächzt die Anlage einen Namen, der entfernte Ähnlichkeit mit meinem aufweisen könnte - ein Blick in die Runde sagt mir; dass scheinbar niemand mit einem ähnlichen Namen da ist und so begebe ich mich in das Behandlungszimmer.

Jeniges könnte wenn man die obligatorische Liege entfernen würde auch gut als Büro für einen Versicherungsvertreter dienen, wobei der Arzt mehr den Eindruck macht, dass er Bretter im Baumarkt an den Mann bringen könnte.
Aber diese Götter in weiß besitzen wahrlich geradezu übernatürliche Kräfte, nach dem schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr geübten "Ahhhh" und dem Auflegen seiner kalten Hände auf meinen heißen Hals, ist der Arzt voll im Bilde - eitrige Angina.
Und schwupps bekomme ich leckere Antibiotika verschrieben und mir wird eingebleut, keinen Sport zu betreiben.

Nach diesen 5 Minuten intensiver Behandlung stehe ich auch schon wieder am Ausgang und hole mir in der - praktischerweise gleich im Erdgeschoss liegenen - Apotheke mein Medikament. Instinktiv zücke ich mein Portemonnaie zur Zuzahlung und wenn ich mich anstrenge, dann kann ich in den folgenden 10 Tagen Abstinenz von Alkohol vielleicht auch wieder die Praxisgebühr und die Zuzahlung reinholen...

...

Frisch, Frisch - jede Zeile ein Hochgenuss; ich wiederhole mich, aber man kann es gar nicht oft genug betonen. Fast ärgere ich mich, dass ich nur lese, wenn ich die öffentlichen Verkehrsmittel benutze.

Gönnerhaft

Ich stehe an der Ampel und denke mir. Heute ist irgendwie etwas besonderes. Gönn dir doch mal was!
Gesagt getan. Alle laufen über die rote Ampel, denn die Zeit drängt, es gibt nur ein schmales Fenster in dem man bei Rot relativ ungefährlich die Straße überqueren kann.
Das habe ich heute nicht nötig, ich drücke gemächlich diesen gelben schwergängigen Knopf, wo man eigentlich fast immer denkt, dass die sowieso nichts bewirken.
Im Leben geht es trist genug zu und um nicht gleich Agent Dale Cooper (aus Twin Peaks) zu zitieren, man muss sich auch mal etwas gönnen!

Ich gönne mir heute den Luxus, bei Grün über die Ampel zu gehen. Ganz unbeschwert, keine kleinen Kinder die mich sonst immer dazu zwingen Vorbild zu spielen, nein, ich warte einfach bis die Ampel grün wird für mich.
Ich kann mir das heute erlauben und auch wenn es bedeutet, dass ich eine weitere Ampelphase der Autos abwarten muss und die Leute mich schon etwas komisch anschauen, weil ich ja bei freier Straße, aber rot noch nicht gehe.

Diese Kleinigkeiten machen doch das Leben erst lebenswert, oder?

Lachend gehe ich über die Straße.
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