9
Nov
2005

Lest Frisch!²

Der Übersichtlichkeit halber (und in der Hoffnung, dass der gemeine Leser sich täuschen lässt, in dem ich lange Blogeinträge auf mehrere Posts verteile, nur damit er wenigstens einen Teil liest :D) der 2. Teil von Frisch-Auszügen aus dem Tagebuch von 1946-1949.

Ich gelobe hoch und heilig in Zukunft diese Unsitte zu unterlassen, aber es ist zu verführerisch. Frisch ist ein Genie.

Du sollst dir kein Bildnis machen
Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Lieben sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte.
Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben.
[...]
Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir annehmen versucht sind - nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpfthat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir künden ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alls Lebendigen, dass unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei.
"Du bis nicht", sagt der Enttäuschte oder die Enttäsuchte: "wofür ich dich gehalten habe."
Und wofür hat man sich denn gehalten?
Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immehrin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das id das Lieblose, der Verrat.


Nebenbei gesagt, Neadine sagt mir gestern ab weil sie so müde ist, heute verpassen wir uns (gott ja, ich habe gearbeitet und mich rechtzeitig bei ihr gemeldet!) und am Telefon spricht sie von unüberlegten Sachen die sie in der Vergangenheit gemacht hat...
Morgen ist sie nicht da, am Donnerstag hat sich keinen Plan, am Sonntag klingt sie nicht übermäßig enthusastisch meinen Bruder kennenzulernen.
Sollte ich mir Sorgen machen?

Lest Frisch!

Ich habe endlich Lantanas Buch über die Leidenschaft des Motorradfahrens durchgelesen. Es war relativ grausig; da kein Konzept erkennbar war. Eine lose Mischung aus Report, Bericht vom Leben einer Motorradfahrerin in Amerika und einer sehr dürftigen dünnen roman-fragmentartigen Story, die die wirklich spannenden Elemente kurz nach Einführung wieder in der Versenkung verschwinden lässt.
Dann die Frage - an wen das Buch sich wendet? Für europäische Biker ist es schlichtweg über weite Strecken langweilig. Man muss uns nicht erzählen, wie unbeschreiblich das Gefühl ist Motorrad zu fahren, nur um es dann eben doch zu versuchen in Worte zu fassen.
Wir fühlen uns auch nicht so scheinbar unterdrückt, wie das in Amerika scheint und eine echte Minderheit sind Motorradfahrer in Deutschland doch schon lange nicht mehr.
Alles in allem merkt man der Autorin an, dass sie nicht die geborenen Schriftstellerin ist, sondern wohl eher Zeitungsartikel und Ähnliches schreibt; für einen guten Roman reicht es da leider nicht. Der Epilog hat allerdings durchaus einige gute Sätze.

Zurück zur eigentlich Intention dieses Blogeintrags.

Warum bloggen wir? Nagut, warum blogge ich? Neben der mir schwer antrainierten Manie zur Selbstdarstellung und den kläglichen Versuchen etwas mit diesen Worten bewegen zu können über die Illusion ich könnte Gefühle gut äußern, doch vielleicht auch aus folgenden Gründen:

Vom Sinn eines Tagebuches
Wir leben auf einem laufenden Band und es gibt keine Hoffnung, dass wir uns selber nachholen und einen Augenblick unseres Lebens verbessern können. Wir sind das Damals, auch wenn wir es verwerfen, nicht minder als das Heute -
Die Zeit verwandelt uns nicht.
Sie entfaltet uns nur.
Indem man es nicht verschweigt, sondern aufschreibt, bekennt man sich zu seinem Denken, das bestenfalls für den Augenblick und für den Standort stimmt, da es sich erzeugt. Man rechnet nicht mit der Hoffnung, dass man übermorgen, wenn man das Gegenteil denkt, klüger sei. Man ist, was man ist. Man hält die Feder hin, wie eine Nadel in der Erdbebewarte, und eigentlich sind nicht wir es, die schreiben; sondern wir werden geschrieben.
[...]
(Max Frisch - Tagebuch 1946-1949)

Frisch, den ich durchaus als meinen Lieblingsautor bezeichnen würde, hat es wieder geschafft mich mit seinem Buch (aktuell eben das oben erwähnte Tagebuch) sofort in den Bann zu ziehen. Wenn dieser Mann eine Feder anfasste, musste wohl die Schrift goldig sein; seine Worte sind Schätze. Schätze die uns allen zur Verfügung stehen; wobei ich sie oft nur bewundern kann - zum mitnehmen sind sie zu schwer und öffnen verbietet sich von selbst.

Kurzupdate

Reformationstag:
Wir liegen fast den ganzen Tag im Bett und schauen "Wild At Heart" (bei dem mir auffällt, dass David Lynch mit Vorliebe auf Schauspieler zurück greift, mit denen er schon einmal gefilmt hat) und dann zum Abendabschluss "Uhrwerk Orange".
Es ist schön, wunderschön.
Neadine bewährt sich unverhoffterweise beim Eierkuchen machen.

Rest der Woche:
Es ist komisch(-seltsam) wenn man so nah beieinander wohnt. Man hat den Drang sich zu sehen und doch will man jemanden nicht einschränken. Am Mittwoch schlafe ich bei ihr.

Wochenende:
Mein Vater hat Geburtstag... demnächst mehr.
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