Lest Frisch!²
Der Übersichtlichkeit halber (und in der Hoffnung, dass der gemeine Leser sich täuschen lässt, in dem ich lange Blogeinträge auf mehrere Posts verteile, nur damit er wenigstens einen Teil liest :D) der 2. Teil von Frisch-Auszügen aus dem Tagebuch von 1946-1949.
Ich gelobe hoch und heilig in Zukunft diese Unsitte zu unterlassen, aber es ist zu verführerisch. Frisch ist ein Genie.
Du sollst dir kein Bildnis machen
Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Lieben sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte.
Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben.
[...]
Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir annehmen versucht sind - nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpfthat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir künden ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alls Lebendigen, dass unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei.
"Du bis nicht", sagt der Enttäuschte oder die Enttäsuchte: "wofür ich dich gehalten habe."
Und wofür hat man sich denn gehalten?
Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immehrin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das id das Lieblose, der Verrat.
Nebenbei gesagt, Neadine sagt mir gestern ab weil sie so müde ist, heute verpassen wir uns (gott ja, ich habe gearbeitet und mich rechtzeitig bei ihr gemeldet!) und am Telefon spricht sie von unüberlegten Sachen die sie in der Vergangenheit gemacht hat...
Morgen ist sie nicht da, am Donnerstag hat sich keinen Plan, am Sonntag klingt sie nicht übermäßig enthusastisch meinen Bruder kennenzulernen.
Sollte ich mir Sorgen machen?
Ich gelobe hoch und heilig in Zukunft diese Unsitte zu unterlassen, aber es ist zu verführerisch. Frisch ist ein Genie.
Du sollst dir kein Bildnis machen
Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Lieben sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte.
Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben.
[...]
Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir annehmen versucht sind - nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpfthat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir künden ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alls Lebendigen, dass unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei.
"Du bis nicht", sagt der Enttäuschte oder die Enttäsuchte: "wofür ich dich gehalten habe."
Und wofür hat man sich denn gehalten?
Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immehrin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das id das Lieblose, der Verrat.
Nebenbei gesagt, Neadine sagt mir gestern ab weil sie so müde ist, heute verpassen wir uns (gott ja, ich habe gearbeitet und mich rechtzeitig bei ihr gemeldet!) und am Telefon spricht sie von unüberlegten Sachen die sie in der Vergangenheit gemacht hat...
Morgen ist sie nicht da, am Donnerstag hat sich keinen Plan, am Sonntag klingt sie nicht übermäßig enthusastisch meinen Bruder kennenzulernen.
Sollte ich mir Sorgen machen?
jr - 9. Nov, 01:49